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Ausreichender Impfschutz für alle Kinder - von der Vision zur Wirklichkeit

Von Jens Stoltenberg1

Impfstoffe sind ein medizinisches Wundermittel. Mit einigen Tropfen davon werden Millionen von Menschen vor Krankheiten geschützt, die über Generationen Millionen von Menschen das Leben und die körperliche Unversehrtheit gekostet haben. In Norwegen und anderen reichen Ländern halten wir durch Schutzimpfungen viele Krankheiten in Schach. Wir sollten daher eine starke moralische Verpflichtung spüren, die zusätzliche Milliarde norwegische Kronen (ca. 115 Millionen Euro) aufzubringen, die für Schutzimpfungen aller Kinder der Welt erforderlich ist. Die Zeit für politische Beschlüsse und Handlungen ist gekommen.

Norwegen muss sich dafür verantwortlich fühlen, dass der für die Schutzimpfung aller Kinder noch fehlende Betrag aufgebracht wird. Wir werden andere Geldgeber - Staaten, Unternehmen und private Spender - auffordern, ihren Beitrag zu leisten, und werden die Zuwendungen unseres Landes erhöhen, damit der am Ende noch offene Betrag gedeckt wird.

Mit diesem Artikel möchte ich darlegen, wie sich die Weltgemeinschaft im Kampf gegen Not und Armut meiner Meinung nach einen großen Schritt vorwärts bewegen kann. Seit 2000 arbeite ich in der weltweiten Initiative zur Sicherung eines ausreichenden Impfschutzes für alle Kinder der Welt mit, anfangs als Ministerpräsident Norwegens und später als Mitglied des Vorstands des Global Fund for Children’s Vaccines (Weltfonds für Kinderschutzimpfungen). Dieser von Nelson Mandela geleitete Fonds2 verwaltet Mittel für Impfprogramme in den ärmsten Ländern der Welt, das heißt in Ländern mit einem Bruttosozialprodukt unter 1000 Dollar je Einwohner.

Unterlassung ist Verrat

Jedes Jahr sterben mehr Kinder an Masern, Keuchhusten und den anderen üblichen Kinderkrankheiten als an AIDS. Von der Immunschwächekrankheit HIV/AIDS sind in erster Linie die Eltern betroffen, und die Weltgemeinschaft muss auch diese Epidemie mit allen Mitteln bekämpfen, selbst wenn dies nicht einfach ist. Für den Kampf gegen Masern, Keuchhusten, Diphtherie und andere Krankheiten gibt es dagegen erprobte Impfstoffe - dieser Kampf ist deshalb leichter zu gewinnen. Wir wissen, was notwendig ist. Wir wissen, dass die Impfstoffe ihre Wirkung haben, und es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass jedes Jahr eine große Zahl von Kindern an diesen Krankheiten stirbt. Es ist schlicht und einfach ein politischer und moralischer Skandal, dass die Weltgemeinschaft dies zulässt. Doch warum wird trotzdem wenig getan?

Eine überzeugende Antwort zu geben fällt schwer. Zweifellos spielt der Geldmangel in armen Ländern eine Rolle, und die Arbeit aller UNO-Organe und anderer Stellen, die sich auf verschiedene Weise mit dem Thema Impfschutz beschäftigen, wird unzureichend koordiniert.

Der norwegische Dichter Nordahl Grieg schrieb einmal: „Edel ist der Mensch. Die Erde hat alles parat. Gibt es Hunger und Not, so ist dies Verrat.“ Es ist Verrat, wenn Millionen von Kindern an Krankheiten sterben, gegen die sie auf einfache Weise geimpft werden könnten. Unsere Aufgabe besteht darin, diesen sinnlosen Zustand so schnell wie möglich zu beenden. Dies ist einerseits eine moralische Verpflichtung und andererseits eine lohnende Investition. Denn gesunde Kinder sind ein wichtiger Faktor für das Wirtschaftswachstum, und wenn wir für die Gesundheit der Kinder sorgen, wissen wir, dass diese konkrete Maßnahme sich in jeder Beziehung auszahlt.

Es gibt genügend Beweise dafür, dass zielgerichtete Gesundheitsmaßnahmen große Bedeutung für die Verminderung der katastrophalen Belastung der ärmsten Länder durch Krankheiten haben. Seit langem ist man sich einig, dass die wirtschaftliche Entwicklung einen großen Einfluss auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung hat. Dagegen war weniger bekannt, welche Bedeutung umgekehrt gesundheitsfördernde und krankheitsbekämpfende Maßnahmen für die wirtschaftliche Entwicklung haben können.

Eine lohnende Investition

Wirtschaftswissenschaftler wurden lange Zeit kritisiert, dass sie die Bedeutung der Gesundheit für die Volkswirtschaft und für die Bekämpfung der Armut zu eng gesehen haben. Es gibt Stimmen, die behaupten, dass Ökonomen Gesundheit und Krankheit eher als ein Ergebnis von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung auffassen. Dies ist sicher ein Beispiel für den oft fehlenden Dialog verschiedener Fachkreise in unserer komplexen Gesellschaft. In den vergangenen Jahren habe ich trotzdem festgestellt, dass man in meinem eigenen Fach - der Volkswirtschaftslehre - für breitere Zusammenhänge wesentlich größeres Interesse zeigt. Dies betrifft den Bereich der Umwelt und die Anforderungen, die wir offenbar jetzt an Unternehmen stellen müssen, damit eine nachhaltige Entwicklung sichergestellt ist. Und in den letzten Jahren können wir dies auch in Bezug auf eine breitere wirtschaftliche Annäherung an die Bekämpfung der Armut feststellen. In der internationalen Debatte erlebt man die Wirtschaftswissenschaftler sogar oft als Initiatoren und Verfechter neuer Annäherungsweisen.

Die Professoren David Bloom und David Canning3 belegen durch ihre Studien, wie der Gesundheitszustand das Einkommen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen beeinflusst4: Erstens betrifft dies die allgemeine Produktivität. Gute Gesundheit führt zu höherer Produktivität, weniger Abwesenheit vom Arbeitsplatz und einem besseren Allgemeinbefinden. Zweitens leben gesunde Menschen länger und haben ein größeres Interesse daran, die eigenen Kenntnisse auszubauen und auch ihren Kindern eine gute Ausbildung zu verschaffen. Drittens führt eine höhere Lebenserwartung dazu, dass man für das Alter spart und investiert. Wenn mehr gespart wird, kann auch mehr investiert werden, und dies führt zu einer Stärkung der Wirtschaft. Viertens führt eine Verbesserung des Gesundheitszustandes insgesamt zunächst zu einer Verringerung der Sterblichkeit - und daraus folgend zu weniger Geburten und einer besseren Kontrolle der Bevölkerungsentwicklung - zwei entscheidenden Faktoren für die Verminderung der Armut.

Die von Professor Jeffrey Sachs geleitete Kommission für Makroökonomie und Gesundheit wies in ihrem 2001 vorgelegten Bericht nach, welche wirtschaftliche Katastrophe Krankheit und schlechte Gesundheit für die Menschen, die Gesellschaft und die Volkswirtschaft herbeiführen.5 In diesem Bericht wird festgestellt, dass man mit einer Handvoll grundlegender Gesundheitsleistungen Millionen von Menschenleben retten, die Armut vermindern, die wirtschaftliche Entwicklung fördern und im Endergebnis dazu beitragen kann, dass es in der Welt weniger soziale Unterschiede und damit weniger Konflikte gibt.

Eine der von der Sachs-Kommission genannten grundlegenden Gesundheitsleistungen sind Schutzimpfungen für alle Kinder. Der Welt ist eines schon lange klar: Die Kinderschutzimpfung ist eine der wirksamsten Maßnahmen des Gesundheitswesens. Durch die großen Impfprogramme der 1960er und 1970er Jahre konnten Pocken weltweit ausgerottet werden, und die Welt ist für alle sicherer geworden. Und jetzt steht man kurz davor, auch die Ausrottung der Poliomyelitis (Polio oder spinale Kinderlähmung ) erklären zu können. Eine starke Verminderung der Polio-Ansteckungsgefahr hat den Menschen große Leiden erspart. Ich kann mich noch sehr gut an die Begegnung mit an Polio erkrankten Kindern im April 2001 in einer Gesundheitsstation in Neu-Delhi erinnern. Vor dem Eingang standen Kinder mit Schienen und Krücken und lehnten sich an das Eingangstor. Das Poliovirus hatte sie für ihr ganzes Leben gekennzeichnet. In der Gesundheitsstation bekamen Säuglinge ihre zwei Tropfen Polio-Impfstoff. Diese Kinder hatten Glück. Durch diese Tropfen sind sie für den Rest ihres Lebens geschützt.

In Norwegen nehmen Eltern ihre kleinen Kinder mit zur Gesundheitsstation, um sie impfen zu lassen - gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Polio, Röteln, Mumps, Masern, Gehirnhautentzündung (Hämophilus-Influenzae-B-Meningitis, HIB) und Tuberkulose. In Norwegen werden fast 100 Prozent aller Kinder geimpft und sind dadurch ihr Leben lang geschützt. In den 1980er Jahren gelang es vielen armen Ländern, die Impfungsrate zu erhöhen. Dann folgten Jahre des Stillstands. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 75 Prozent. Diese Zahl verschleiert jedoch die Tatsache, dass in den ärmsten Ländern oft nur weit weniger als die Hälfte der Kinder geimpft wird.

Dies hat dramatische Folgen. Zum Jahrtausendwechsel wurden jedes Jahr 30 Millionen Kinder6 nicht gegen die gewöhnlichsten Kinderkrankheiten geimpft. Dies führt dazu, dass jährlich nicht weniger als 3 Millionen Kinder und Erwachsene in ihrem besten Alter an Krankheiten sterben, gegen die es einen wirksamen Schutz gibt.

Die Konsequenzen sind umfassender als die hohe Zahl der Todesfälle. Viele Kinder entgehen dem Tod zwar knapp, sind jedoch ihr Leben lang krank und müssen leiden. Davon ist dann die ganze Familie betroffen, die Eltern müssen ihr krankes Kind oder ihre kranken Kinder pflegen, und die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten der Erwachsenen werden eingeschränkt. Und aus der Entwicklungsgeschichte wissen wir: Wenn die Geburtenzahlen sinken sollen, muss als erstes die Kindersterblichkeit zurückgehen. So war es auch in Norwegen. Ein Elternpaar bekommt viele Kinder, wenn es aus Erfahrung weiß, dass viele Kinder im jungen Alter sterben. Wo die Kindersterblichkeit sinkt, werden auch weniger Nachkommen geboren, die Stabilität der Familien erhöht sich, und statt auf das reine Überleben kann man sich auf Arbeit, Ausbildung und Entwicklung konzentrieren. Außerdem nimmt die Gefahr ab, dass die Mutter im Wochenbett stirbt. Dies ist nach wie vor in vielen Ländern eine häufige Todesursache und hat natürlich erhebliche Folgen für die Familie. Oft steht dann der Vater mit der Verantwortung für eine große Kinderschar allein da, und das kleinste Kind ist oft das Neugeborene. Je weniger Geburten, desto weniger Sterbefälle im Wochenbett.

Eine neue Allianz mit hoch gesteckten Zielen

Vor vier Jahren wurde ein ungewöhnliches Bündnis ins Leben gerufen, das der negativen Entwicklung eine neue Richtung geben und sich verstärkt für bessere Gesundheit als Mittel im Kampf gegen die Armut einsetzen will. Die Global Alliance for Vaccines and Immunization (GAVI), die Weltallianz für Schutzimpfungen und Immunisierung, wurde von UNO-Organisationen wie WHO und UNICEF, der Weltbank, der Arzneimittelindustrie sowie Vertretern reicher und armer Länder gegründet. Außerdem wurde der Global Fund for Children’s Vaccines, der Weltfonds für Kinderschutzimpfungen, eingerichtet. Dieser Fonds soll Mittel für die Arbeit der GAVI aufbringen. Viele Staaten leisten hier ihren Beitrag, und nicht zuletzt hat die humanitäre Stiftung The Bill and Melinda Gates Foundation einen erheblichen Betrag beigesteuert. Der Zweck der GAVI und des Weltfonds für Kinderschutzimpfungen ist ein wirkungsvoller Einsatz für den Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesens in den ärmsten Ländern, indem grundlegende Impfstoffe für Schutzimpfungen bereitgestellt werden. Dadurch soll diesen Ländern die Möglichkeit gegeben werden, die vorhandenen Impfstoffe zu nutzen und auch von neu auf den Markt kommenden Vakzinen schnell zu profitieren. Die Gates-Stiftung hat dem Weltfonds für Kinderschutzimpfungen über fünf Jahre 750 Millionen Dollar (ca. 5 Milliarden norwegische Kronen oder ca. 575 Millionen Euro) gespendet - eine solide Grundlage für die weitere Arbeit.

Von dieser Initiative erfuhr ich, als die internationalen Medien im Januar 2000 erstmals darüber berichteten. Mir war schon lange klar, dass Schutzimpfungen als eines der kostenwirksamsten Mittel der Gesundheitsvorsorge angesehen werden. In der Fachliteratur wurde die Bedeutung von Gesundheit und Ausbildung als Mittel im Kampf gegen die Armut immer stärker betont. Als Politiker beschäftigt mich die Frage, wie diese Perspektive noch stärker in der Entwicklungspolitik zum Tragen kommen kann. Es besteht die Gefahr, dass die Unterstützung der Entwicklungshilfe in breiten Kreisen der Bevölkerung abnimmt, wenn nicht gezeigt wird, wofür die Mittel tatsächlich verwendet werden und welche Ergebnisse erzielt werden.

Die GAVI zeichnete sich von Anfang an durch eine Reihe von wichtigen Qualitäten aus. Sie wurde von seriösen Akteuren unterstützt. Man setzte sich hoch gesteckte, aber doch realistische Ziele, die zur Verminderung der Armut und zur Förderung der Entwicklung beitragen. Daher war mein Wunsch, dass die norwegische Regierung, dessen Ministerpräsident ich ab März 2000 war, diese Initiative schon zu einem frühen Zeitpunkt erkennbar unterstützen sollte. Wir gaben bekannt, dass wir im Laufe von fünf Jahren einen Beitrag von 1 Milliarde norwegische Kronen (ca. 115 Millionen Euro) leisten würden. Im Storting, dem norwegischen Parlament, wurde dies mehrheitlich unterstützt, und dank des im Herbst 2000 mit den Zentrumsparteien geschlossenen Haushaltskompromisses konnten diese Mittel dann auch bewilligt werden.

Das Rezept ist einfach und kompliziert zugleich: Es geht darum, dass die Gesundheitsstationen auch in abgelegenen Gebieten mit lebensrettenden Impfstoffen versorgt werden. Die dauerhafte Schutzimpfung kostet je Kind 150 bis 200 Kronen (ca. 17 bis 23 Euro). Die Bereitstellung von Impfstoffen und Geldmitteln reicht jedoch nicht aus. Im Empfängerland müssen auch die notwendigen Kapazitäten für die Durchführung der Schutzimpfungen vorhanden sein. Zwanzig Prozent der Mittel der GAVI dienen der Förderung der notwendigen Infrastruktur. An vielen Beispielen zeigt sich, dass Maßnahmen zur Schaffung der rein technischen Voraussetzungen fehlschlagen. Dem Einsatz in jedem Land muss ein von diesem Land ausgearbeiteter Plan zu Grunde liegen. Nur im Land selbst kann man beurteilen, wie man die Kinder am besten erreicht, und kann entsprechende Vorhaben planen. Jedes Land muss selbst Haushaltsmittel zur Verfügung stellen und kann dann mit Mitteln der GAVI zusätzlich unterstützt werden. Die externe Unterstützung muss wirkungsvoll koordiniert werden und über einen längeren Zeitraum planbar sein. In allen diesen Bereichen hat die GAVI Initiativen ergriffen und sich in kurzer Zeit zu einem bei den Partnern angesehenen und anerkannten Bündnis entwickelt. Fast 70 Länder arbeiten jetzt eng mit der GAVI zusammen, und die Impfungsrate steigt Schritt für Schritt an.

Die Unterstützung durch die GAVI ist von nachgewiesenen Ergebnissen abhängig. Zunächst erhalten die Länder eine Investitionshilfe für die Beschaffung von Impfstoffen für die ersten drei Jahre. Danach ist die Unterstützung von den erzielten Ergebnissen abhängig. Wirtschaftsprüfungsunternehmen, unter anderem Price Waterhouse Coopers, nehmen in den geförderten Ländern ausführliche Prüfungen vor, um festzustellen, dass die Impfungen tatsächlich vor Ort durchgeführt werden. Beispielsweise wurden die an Kenia gezahlten Mittel gekürzt, weil die Zielsetzungen nicht erreicht wurden, während die Zahlungen an Uganda erhöht wurden, weil mehr Kinder als ursprünglich geplant eine Schutzimpfung erhielten.

Die Ergebnisse zeigen sich nun. Dank des verstärkten Einsatzes konnten fast 8 Millionen Kinder in mehr als 55 Ländern geimpft werden. Neue Impfstoffe, unter anderem gegen Hepatitis und Gehirnhautentzündung (Meningitis), konnten schneller zugänglich gemacht werden. Seit der Gründung der GAVI wurden über 30 Millionen Kinder mit neuen Impfstoffen geschützt. Die Zahl der geimpften Kinder nimmt zu. Auch der Rückgang der Kindersterblichkeit ist messbar. Durch den verstärkten Einsatz nach 2000 konnte schätzungsweise fast einer halben Million Menschen das Leben gerettet werden.

Der GAVI ist es gelungen, zur Erhöhung der Zahl der geimpften Kinder in den ärmsten Ländern beizutragen. Weniger Kinder sterben, weniger Kinder werden krank. Die Gesundheitsstationen, wo die Impfungen vorgenommen werden, spielen eine größere Rolle. Daraus ergeben sich wiederum neue Möglichkeiten, und dies veranschaulicht, wie vernünftige Anstrengungen in einem Bereich zu Fortschritten in anderen Bereichen führen können. In Norwegen wissen wir aus Erfahrung, dass den Eltern beim Impfen der Kinder in der Gesundheitsstation auch andere Informationen mit auf den Weg gegeben werden - über Ernährung, Gesundheitsvorsorge, Geburtenplanung, Krankheitssymptome und ähnliche Themen.

Dies ist auch in den ärmsten Ländern möglich, wo besser ausgestattete Gesundheitsstationen auch eher in der Lage sind, sich den Herausforderungen der HIV/AIDS-Epidemie und anderer schwerer Krankheiten zu stellen. Mir wurde dies besonders bewusst, als ich kurz vor Weihnachten bei der Impfung von Kindern in einer Gesundheitsstation in Dakar (Senegal) anwesend war. Bei den Schutzimpfungen kommt das Personal des Gesundheitsdienstes mit den Müttern ins Gespräch und erhält die Möglichkeit, ihnen Informationen und notwendige Medikamente zu geben. In einem Land wie Ghana hat das Rote Kreuz ein Projekt durchgeführt, wo die Mütter, die mit ihren Kindern zum Impfen kommen, ein imprägniertes Mückennetz zum Schutz vor Malaria erhalten. Gegen diese Krankheit, die jährlich rund 1 Million Menschen das Leben kostet, gibt es keinen Impfschutz. Nach Auffassung der Sachs-Kommission tötet Malaria nicht nur Menschen, sondern hat in Afrika in den vergangenen 20 Jahren auch krankheitsbedingte Kosten in Höhe von 100 Milliarden Dollar verursacht. Gleichzeitig wissen wir, dass die Zahl der Todesfälle halbiert werden könnte, wenn alle Kinder in malariagefährdeten Gebieten unter einem Mückennetz schlafen würden. Die Impfung bietet also die Möglichkeit, auch andere Probleme der Gesundheitsvorsorge anzusprechen und etwas damit zu tun.

Eine erneute Kraftanstrengung ist möglich

Die Vision lautet: Ausreichender Impfschutz für alle Kinder der Welt

Wenn wir uns das Jahr 2015 als Ziel setzen, sollte die Vision - neun von zehn Kinder in den 75 ärmsten Ländern werden gegen die gewöhnlichsten Krankheiten geimpft - durchaus realisierbar sein. Dadurch lässt sich die Zahl der Menschen, die an Krankheiten mit möglichem Impfschutz sterben, um fast 3 Millionen senken.

In der GAVI und im Weltfonds für Kinderschutzimpfungen diskutieren wir derzeit, ob für die Impfmaßnahmen nicht eine neue Phase eingeleitet werden sollte, in der ein noch größerer Anteil der Kinder geimpft wird und gleichzeitig die Kapazitäten für zielgerichtete Impfkampagnen bei konkreten Krankheitsausbrüchen in einem Land verstärkt werden. Besonders bei Masernepidemien sterben viele Kinder. Ferner sind Bestrebungen im Gange, die Bekämpfung des Tetanus zu intensivieren, durch den jeden Tag 100 Mütter im Wochenbett und ungefähr 700 Kinder sterben. Der Iran hatte kurz vor dem Erdbeben in Bam eine umfassende Impfaktion gegen Masern durchgeführt. Die Katastrophe hätte einen weit größeren Umfang angenommen, wenn zusätzlich eine Masernepidemie ausgebrochen wäre. Außerdem wird an neuen Impfstoffen geforscht, unter anderem gegen verschiedene Formen von Durchfall und Malaria. Dies ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe der GAVI.

Bei der Annahme der Millenniumserklärung anlässlich der 55. UNO-Generalversammlung im September 2000 habe ich Norwegen vertreten. Hier wurden auch die so genannten Millenniumsziele formuliert. Die meisten davon beziehen sich auf die Gesundheit. In einigen Bereichen wissen wir, dass es sehr schwierig sein wird, die Ziele zu erreichen. Die Erfolge sind vor allem auf das Wachstum in großen Ländern wie China und Indien zurückzuführen. Doch die ärmsten Länder haben es nicht so leicht, und einige von ihnen können nicht mitziehen. Daher sind Kraftanstrengungen erforderlich, wo dies möglich ist.

Wir können es uns leisten

Was ist notwendig, um ans Ziel zu kommen? Zunächst muss sichergestellt sein, dass die notwendigen Kapazitäten und sinnvolle Impfpläne in den aktuellen Ländern vorhanden sind. Hier hat die GAVI gute Verfahrensweisen entwickelt. Dann muss die Infrastruktur vorhanden sein. Die wichtigste Herausforderung ist und bleibt jedoch die Bereitstellung von Mitteln und die Verpflichtung, die versprochenen Zuwendungen auch tatsächlich zu zahlen. Und hier ist es für Norwegen an der Zeit, mit gutem Beispiel voranzugehen, damit wir noch mehr Geldgeber gewinnen können.

Im Jahr 2000 zählte Norwegen zu den führenden Geldgebern. Der Beschluss, Mittel bereitzustellen, wurde von einer großen politischen Mehrheit getragen. Beim Haushaltskompromiss im Herbst 2003 konnte ich mit Freude feststellen, dass Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik den Vorschlag der Arbeiterpartei unterstützte, den norwegischen Beitrag zum Impfprojekt auf 300 Millionen Kronen (ca. 35 Millionen Euro) jährlich aufzustocken. Wir verlängern die norwegische Verpflichtung um neue fünf Jahre bis 2010, und Norwegen wird dann im Zeitraum 2001-2010 insgesamt 2,7 Milliarden Kronen (ca. 310 Millionen Euro) beigesteuert haben. Diese Einigkeit gilt es fortzuführen. In diesem Bereich dürfte es für jede Partei von Vorteil sein, wenn alle am gleichen Strang ziehen.

Wir haben ein ganz konkretes Ziel: Impfstoffe für die Kleinsten. Und wir wissen, dass die Verwirklichung dieses Ziels ein handfester Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung und zur Verminderung der Armut ist. Hier handelt es sich um ein Beispiel einer neuen Art von Entwicklungspolitik, wo mehrere Partner ein gemeinsames Ziel anstreben, wo die Ergebnisse nachprüfbar sind und wo die externe Unterstützung sich ohne viel Bürokratie und Verwaltungsaufwand koordinieren lässt.

Nationale Regierungen und internationale Organisationen geben heute erhebliche Mittel für die Schutzimpfung von Kindern aus. Organisationen wie UNICEF und WHO arbeiten schon seit Jahren im Bereich der Kinderschutzimpfungen. Hinzu kommt der Einsatz nichtstaatlicher Organisationen in der ganzen Welt. Nun ist es wichtig, dass der Einsatz der einzelnen Länder und die Arbeit der internationalen Organisationen anhält. Wenn die derzeitigen Anstrengungen im Hinblick auf Kinderschutzimpfungen nachlassen, hilft es wenig, dass die GAVI und der Weltfonds für Kinderschutzimpfungen Mittel für neue Impfstoffe zur Verfügung stellen. Im Weltfonds für Kinderschutzimpfungen wird derzeit ermittelt, wie viel zusätzliche Mittel schätzungsweise für die Impfung praktisch aller Kinder der Welt erforderlich sind. Konkret wird ermittelt, was die Erhöhung der Impfungsrate von ca. 70 Prozent auf 90 Prozent bis zum Jahr 2015 kostet. Nach vorläufigen Schätzungen ist eine Erhöhung um ca. 3 Milliarden norwegische Kronen (ca. 345 Millionen Euro) jährlich notwendig. Mit den vorliegenden Zusagen und Verpflichtungen von Regierungen und privaten Spendern können wir mit ca. 2 Milliarden Kronen jährlich rechnen. Vorausgesetzt, dass andere ihren Einsatz nicht vermindern, fehlt also rund 1 Milliarde (ca. 115 Millionen Euro) jährlich, um praktisch alle Kinder der Welt impfen zu können.

Norwegen kann mit gutem Beispiel vorangehen

Es besteht eine breite politische Übereinstimmung in Norwegen, dass der Entwicklungshilfeetat auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden sollte. Weil die norwegische Wirtschaft im Wachstum begriffen ist, wächst der Entwicklungshilfeetat jährlich um mehrere hundert Millionen Kronen, auch wenn der Prozentanteil am Bruttosozialprodukt gleich bleibt. 2004 stieg der Anteil im Vergleich zum Vorjahr sogar von 0,93 auf 0,94 Prozent des Bruttosozialprodukts. Dadurch erhöhte sich der Entwicklungshilfeetat 2004 um 603 Millionen Kronen (ca. 69 Millionen Euro) gegenüber 2003. Heute beträgt der Entwicklungshilfeetat 15,3 Milliarden Kronen (ca. 1,8 Milliarden Euro) und wird weiterhin Jahr für Jahr zunehmen. Für den folgenden Vorschlag meinerseits ist daher der notwendige Spielraum im Rahmen eines wachsenden Entwicklungshilfeetats vorhanden.

Es besteht eine breite politische Übereinstimmung in Norwegen, dass der Entwicklungshilfeetat auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden sollte. Weil die norwegische Wirtschaft im Wachstum begriffen ist, wächst der Entwicklungshilfeetat jährlich um mehrere hundert Millionen Kronen, auch wenn der Prozentanteil am Bruttosozialprodukt gleich bleibt. 2004 stieg der Anteil im Vergleich zum Vorjahr sogar von 0,93 auf 0,94 Prozent des Bruttosozialprodukts. Dadurch erhöhte sich der Entwicklungshilfeetat 2004 um 603 Millionen Kronen (ca. 69 Millionen Euro) gegenüber 2003. Heute beträgt der Entwicklungshilfeetat 15,3 Milliarden Kronen (ca. 1,8 Milliarden Euro) und wird weiterhin Jahr für Jahr zunehmen. Für den folgenden Vorschlag meinerseits ist daher der notwendige Spielraum im Rahmen eines wachsenden Entwicklungshilfeetats vorhanden. Dadurch können wir beweisen, dass es im Kampf gegen die Armut Ziele gibt, die nicht an einem undeutlichen Horizont weit entfernt liegen, sondern tatsächlich erreichbar sind. Erreichbar für Menschen, die auf diese Weise einer verheißungsvollen Zukunft einen Schritt näher kommen - und erreichbar für uns, die wir eine Verantwortung dafür tragen, uns eben dieser Aufgabe zu stellen. Die Lösungen sind banal, einfach und konkret. Wir wissen genau, was zu tun ist und was die Maßnahmen kosten. Sie müssen nur in die Praxis umgesetzt werden.

Die Bekämpfung der Armut erfordert ganz verschiedene Anstrengungen. Gerechter Handel, Kampf gegen Korruption, Ausbildung und Investitionen für die Infrastruktur: all dies trägt zur Entwicklung im ärmsten Teil der Welt bei.

Doch die Tatsache, dass es viele andere Mittel gibt, die oft komplexer sind und sich nicht so leicht umsetzen lassen, ist kein Argument gegen die Durchführung der einleuchtendsten und einfach zu realisierenden Maßnahmen gegen die Armut. Ganz im Gegenteil.

Weil der Kampf gegen die Armut so schwierig ist, müssen wir wenigstens das tun, was erwiesenermaßen etwas nützt: Wir müssen für die Schutzimpfung aller Kinder sorgen. Dies waren meine Gedanken, als ich mich kurz vor Weihnachten in Dakar, der Hauptstadt von Senegal, aufhielt und in einer Gesundheitsstation zusammen mit vielen Frauen und ihren Säuglingen auf dem schmalen Flur saß. Diese Frauen waren voller Hoffnung und hatten Glück. Der Sohn oder die Tochter sollte die lebensrettenden Impfungen erhalten. Zwei Tropfen in den Mund. Ein Einstich im Arm. Schon sind die Kinder für ihr ganzes Leben geimpft.

Dies ist ein medizinisches Wunder - ein Wunder, das allen Kindern vergönnt sein sollte.

1 Jens Stoltenberg (b. 1959) ist Vorsitzender der Norwegischen Arbeiterpartei und Mitglied des von Nelson Mandela geleiteten Vorstands des Weltfonds für Kinderschutzimpfungen.
2 Nelson Mandela, Vorsitzender, Graça Machel, stellvertretende Vorsitzende, Patty Stonesifer, Jacques-François Martin, Jacques Delors, Ihre Majestät Königin Rania Al-Abdullah von Jordanien, Dwight L. Bush, Dr. Tore Godal, Charles J. Lyons, Mary Robinson, Mstislaw Rostropowitsch, Amartya Sen, PhD, Jens Stoltenberg, Lawrence H. Summers, George W. Wellde
3 Harvard University
4 D.E. B.oom and D. Canning, “The health and wealth of nations,” Science, Vol. 287, 1207, Febr. 2000
5 “Macroeconomics and health: Investing in health for economic development,” Report of the Commission on Macroeconomics and Health, 2001
6 Weltgesundheitsorganisation WHO/V&B/03.20

Resources

GAVI Progress & Challenges 2004

GAVI fact sheets

Statements

OPED piece by Queen Rania of Jordan; Mary Robinson, former President of Ireland; and Jens Stoltenberg, former Prime Minister of Norway (PDF - 12K)

Vaccines for all the children: From vision to reality - by Jens Stoltenberg (PDF - 32K)

Press Releases

15 April 2004: Press Statement by Former South African President Mandela and Graca Machel

27 February 2004: GAVI and The Vaccine Fund Launch New Drive to Save 1 Million Children

Select Coverage

15 April 2004: Mandela, Machel meet former Norwegian PM
SABC (South African Broadcast Corporation)

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